Ist Überforderung ein Zeichen von Schwäche, oder ein Signal für Veränderung?
22:37 Uhr. Der Bildschirm leuchtet. Der Kalender ist vollgepackt. Und irgendwo zwischen letzter eMail und schlechtem Gewissen taucht die Frage auf: Übernehme ich gerade Verantwortung für meine Rolle, oder versuche ich einfach nur, alles allein zu stemmen?
Führung kann sich anfühlen wie ein Balanceakt.
Entscheiden, da sein, Orientierung geben, motivieren, moderieren. Und irgendwann kippt etwas. Wir merken, dass wir versuchen, nicht nur andere, sondern vor allem uns selbst zusammenzuhalten.
Die Folge: Müdigkeit. Gereiztheit. Dieses stille Gefühl, nie genug zu sein. Und weil wir stark wirken wollen, sagen wir: „Passt schon.“ Nur: Es passt eben nicht.
Wenn wir als Coach unsere systemische Brille aufsetzen, erkennen wir: Überforderung ist kein Versagen. Sie ist ein Signal. Ein Hinweis darauf, dass etwas im System aus dem Gleichgewicht geraten ist.
Rollen sind unklar. Erwartungen wachsen. Grenzen verschwimmen. Kommunikation bleibt aus. Aus Verantwortung wird Retter-Modus. Wir springen ein, nehmen immer mehr auf uns und das System lernt schnell: „Er oder sie macht das schon.“ So dreht sich der Kreis weiter.
Im Coaching halten wir hier inne.
Wir reflektieren, was wirklich passiert. Und wir stellen Fragen, die Ordnung schaffen:
- Welche Verantwortung gehört tatsächlich zu deiner Rolle?
- Welche hast du dir vielleicht aus Gewohnheit geholt?
- Wo kannst du Verantwortung bewusst zurückgeben?
Das Ziel ist nicht, weniger zu leisten. Sondern klarer zu führen.
Denn Überforderung entsteht dort, wo Rollen verschwimmen. Und Klarheit entsteht dort, wo Verantwortung bewusst gestaltet wird.
Was hilft konkret?
- Grenzen formulieren und teilen. Mach transparent, was du leisten kannst und wo du Unterstützung brauchst.
- Verantwortung gemeinsam organisieren. Statt zu fragen „Wer hilft mir?“ lohnt sich die Frage: „Wie gestalten wir Verantwortung im Team?“
- Delegiere Aufgaben dorthin, wo Kompetenz sitzt. Verantwortung wächst, wenn sie geteilt wird. Nicht, wenn sie gesammelt wird.
Eine systemische Perspektive auf Führung bedeutet, Verantwortung als Beziehung zu verstehen, nicht als Last.
Denn Führung heißt nicht, alles zu tragen.
Führung heißt, die Balance zu halten.
Und manchmal beginnt diese Balance mit einer ehrlichen Frage:
Wo trägst du gerade mehr, als zu deiner Rolle gehört?



